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FAQ-german

May 28, 2021

COVID-19 Host Genetics Initiative: Frequently Asked Questions (FAQ)

20 April 2021

Geschrieben von James Priest, Brooke Wolford, Nirmal Vadgama, Sophie Limou, M Medina Gomez, Atanu Kumar Dutta, Claudia Schurmann, Fauzan Ahmad, Jamal Nasir, Kumar Veerapen, ins Deutsche übersetzt von Christina Roos, Eva Schulte, Claudia Schurmann und Alexander Teumer im Namen der COVID-19 HGI

Hinweis: Die COVID-19 Host Genetics Initiative (HGI) repräsentiert ein Konsortium von über 2000 Wissenschaftlern aus über 54 Ländern, die zusammenarbeiten, um Daten und Ideen auszutauschen, Patienten zu rekrutieren und wissenschaftliche Ergebnisse zu verbreiten. Für einen Leitfaden zu unserem Studiendesign lesen Sie bitte unseren ersten Blog-Beitrag. Unsere Forschung baut auf den vorangegangenen Ergebnissen auf, und wir fassen unsere neuesten Erkenntnisse in Blog-Beiträgen und im Ergebnisbereich unserer Website zusammen. Wenn Ihnen ein Fachbegriff nicht geläufig sein sollte, senden Sie uns bitte eine E-Mail an hgi-faq@icda.bio — wir werden die Erklärungen hier gerne aktualisieren, um das Verständnis zu erleichtern.

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 beim Menschen kann zu ganz unterschiedlichen Verläufen führen: von unbemerkten Infektionen über milde, erkältungsähnliche Erkrankungen bis hin zu schweren Verläufen, die zum Tod führen können. Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen haben statistisch das größte Risiko, an einer SARS-CoV2-Infektion zu sterben. Aber auch jüngere Menschen können schwer erkranken. Die COVID-19 Host Genetics Initiative (HGI) wurde gegründet, um zu verstehen, wie die genetische Variabilität beeinflusst, welcher Mensch vor einem schweren Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion geschützt bzw. wer dafür anfällig ist.

Unsere Studie konzentriert sich auf die Beziehung zwischen genetischer Variabilität und der Erkrankungsanfälligkeit bzw. –schwere von Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind (Wirtgenetik). Der genetische Code des Virus selbst (Virusgenetik) wird von anderen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt untersucht. Beide Herangehensweisen sind wichtig, um die Entwicklung von Impfstoffen, Behandlungsmöglichkeiten und Tests zum Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion voranzubringen.

Die COVID-19 Host Genetics Initiative (HGI) wurde im März 2020 auf dem ersten Höhepunkt der globalen COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen, unter der Leitung der Dres. Andrea Ganna und Mark Daly vom Institut für Molekulare Medizin in Finnland (FIMM) bzw. dem Broad Institute von MIT und Harvard.

Haftungsausschluss: Die Ergebnisse dieser Studie müssen die Zuverlässigkeit ihrer Vorhersagekraft für Krankheitsschwere und Anfälligkeit gegenüber einer COVID-19-Infektion auf Grundlage der genetischen Information eines Menschen noch beweisen. Daher sind die von der HGI veröffentlichten Ergebnisse nicht für eine Genotypen-basierte Diagnose von COVID-19-Patienten geeignet.

Was ist die genetische Variabilität des Menschen?

Der genetische Code des Menschen besteht aus 3 Milliarden chemischer Buchstaben (abgekürzt A, T, G und C), die - von der Augenfarbe bis zur Blutgruppe - alles codieren. Bei zwei Menschen ist dieser Code zu 99,9% identisch. Die 0,01% die sich unterscheiden, werden als genetische Variabilität bezeichnet und sind nahezu ausschließlich von den Eltern geerbt. Daher teilt man die meisten Varianten mit Familie und Vorfahren, einige aber auch mit Menschen auf der ganzen Welt.

Wie wird die genetische Variabilität des Menschen gemessen?

Zwei gebräuchliche Methoden zum „Lesen“ des menschlichen Genoms sind die DNA-Sequenzierung und die Genotypisierung. Bei beiden Methoden wird der genetische Code einer Person (in Form der chemischen DNA) aus einer Probe wie Blut oder Speichel extrahiert. Mit Hilfe chemischer Reaktionen wird die Reihenfolge der Buchstaben (A, T, G oder C) wie in einem Buch lesbar gemacht. Nach jahrzehntelanger genetischer Forschung können wir heute leicht erkennen, wann ein Abschnitt Unterschiede enthält und ob diese Unterschiede bereits in anderen genetischen Studien oder großen Menschengruppen festgestellt wurden.

Was hat die genetische Variabilität des Menschen mit Krankheit zu tun?

Dass wir genetische Unterschiede identifizieren können, ermöglicht es uns zu untersuchen, ob diese veränderlichen Regionen des Genoms mit einer Krankheit assoziiert sind. Hierzu verwenden wir eine relativ einfache und unkomplizierte Methode, die genomweite Assoziationsstudie (GWAS). Dieses Video und diese Infografik erklären die GWAS bildlich.

Mit einer GWAS können wir testen, ob die genetische Variabilität mit einer Krankheit in Zusammenhang steht. Dazu benötigt die Methode einen einfachen Vergleich:

Hat eine Gruppe von Menschen mit schwerer Krankheit ein anderes Ausmaß genetischer Variabilität als eine Gruppe von Menschen ohne schwere Krankheit?

Bezüglich COVID-19 zum Beispiel können wir testen, ob genetische Varianten die Wahrscheinlichkeit erhöhen, im Krankenhaus Unterstützung bei der Atmung (als ein Indikator für die Schwere der Erkrankung) zu benötigen. An jeder Stelle im genetischen Code, die unterschiedlich sein kann, vergleichen wir die Häufigkeit einer genetischen Variante von Fällen (d.h. in diesem Fall: Mensch mit positivem COVID-19-Test und Krankenhausaufenthalt mit Atmungsunterstützung) und Kontrollen (d.h. hier: Mensch mit positivem COVID-19-Test, aber ohne Krankenhausaufenthalt) (Abbildung 1).

Figure 1: Interpreting risk based on genotype observation

Abbildung 1: Interpretation des Risikos anhand der Beobachtung von Genotypen (Grafik: Sophie Limou)

Wir sind sicherer, dass eine genetische Variante tatsächlich mit einer Krankheit assoziiert ist, wenn das gleiche Muster beispielsweise bei Menschengruppen in Großbritannien, Spanien, den USA und Finnland beobachtet wird. Für die COVID-19 HGI werden die Ergebnisse einzelner GWAS-Studien daher verglichen und in einer als “Metaanalyse” bezeichneten Methode kombiniert.

Ich habe die genetischen Varianten, die nach den HGI-Ergebnissen mit einer schwereren COVID-19-Erkrankung in Zusammenhang stehen. Heißt das, dass ich ein höheres Risiko habe, zu erkranken oder einen schweren Verlauf zu erleiden?

Nicht unbedingt. Die Ergebnisse unserer GWAS zeigen nur, dass wir dieses Varianten-Muster in Zusammenhang mit Erkrankungs-Anfälligkeit oder –schwere in großen Menschengruppen beobachten können. Darüber hinaus können die in unserer Studie identifizierten genetischen Variationen mit einem höheren oder geringeren Risiko für die Anfälligkeit oder Erkrankungsschwere von COVID-19 zusammenhängen.

Der größte Teil der in unserer Studie identifizierten genetischen Varianten hängt nur mit einer sehr geringen Zu- oder Abnahme des Risikos zusammen. Daher ist es noch nicht möglich vorherzusagen, welche Personen bei einer Infektion mit COVID19 einen schwereren oder leichteren Verlauf haben könnten. Wir empfehlen Ihnen nicht, einen durch kommerzielle DNA-Tests (z.B. von 23andMe, Ancestry.com) bekannten Genotypen mit den HGI-Ergebnissen zu kombinieren, um Ihr COVID-19-Risiko zu ermitteln! Die angeordneten Maßnahmen der Gesundheitsbehörden vor Ort gelten unabhängig davon, ob sie genetische „Risikovarianten“ tragen oder nicht. Sprechen Sie für medizinische Entscheidungen immer mit Ihrem Arzt!

Ist die Studie abgeschlossen?

Kurz gesagt, nein! Die Ergebnisse unserer Studie erklären nicht vollständig, wer durch eine COVID-19-Infektion schwerer oder weniger schwer erkrankt. Aber „je mehr Daten, desto besser“, daher werden wir unsere Metaanalyse regelmäßig wiederholen. Wobei immer mehr Studien zu GWAS-Ergebnissen beitragen, an denen mehr Personen beteiligt sind. Während größere Studien zwar bedauerlicherweise bedeuten, dass mehr Menschen mit COVID-19 infiziert wurden, verbessert dies aber auch unsere Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Wirtsgenetik und Krankheitsverlauf zu finden. Zusätzlich laufen aktuell mehrere Projekte mit spezialisierten Ansätzen oder abgestimmt auf spezifische Personengruppen, die von der COVID-19 HGI unterstützt werden.

Wir sind zuversichtlich, dass unsere Studien mehr Regionen des menschlichen Genoms identifizieren werden, die mit der Anfälligkeit für und Schwere von COVID-19 assoziiert sind. Als Teil unseres Beitrags zur wissenschaftlichen Gemeinschaft und Öffentlichkeit wird die COVID-19 HGI die Ergebnisse der Metaanalyse auf der eigenen Website veröffentlichen. So können andere Forscher Studien planen, um die Biologie hinter den genetischen Assoziationen besser zu verstehen.

Beteiligte der COVID-19-HGI führen bereits Computersimulationen durch, um ein tieferes Verständnis der aktuellen Ergebnisse zu ermöglichen. Andere Forscher führen Experimente an menschlichen Zellkulturen oder Tieren durch, um unsere aktuellen Ergebnisse besser zu verstehen. Das gemeinsame Ziel besteht darin, Informationen beizutragen. Diese sollen helfen zu verstehen, welche Medikamente für Vorbeugung oder Behandlung wirken und welche Gruppen von Menschen ein hohes Krankheitsrisiko hat. Unsere Ergebnisse könnten der Weltgemeinschaft helfen, besser mit der COVID-19-Pandemie zurechtzukommen.

Die COVID-19 HGI ist ein Zusammenschluss von Forschern aus der ganzen Welt, die jeweils unabhängige genetische Studien durchführen und die Ergebnisse in unsere Metaanalyse einbringen. Wir sind derzeit ungefähr 2.4001.200 Forschende, die von der International Common Disease Alliance organisiert werden. Dies ist eine beispiellose Mobilisierung von Genetikern und macht uns zu einer der größten globalen Bemühungen, die Genetik einer bestimmten Krankheit zu verstehen. Aktuell sind 47 Forschungsgruppen aus aller Welt beteiligt (Abbildung 2).

Figure 2: List of COVID-19 HGI contributors for data freeze release 5

Abbildung 2: Liste der Partner, die zur aktuellen Analyse (Version 5) der COVID-19 HGI beigetragen haben. Von den 47 beitragenden Studien umfassten 19 nicht-europäische Populationen. Angepasst aus einer Präsentation von Andrea Ganna vom 25. Januar 2021. Hier können Sie alle registrierten Studien und hier die jeweils beteiligten Forschenden einsehen.

Die Metaanalyse wird am Institut für Molekulare Medizin in Finnland (FIMM) durchgeführt. Jede Version umfasst neue Daten aus allen registrierten Studien, die aktiv Daten dazu beigesteuert haben. Derzeit liegen uns genetische Daten aus 19 Ländern mit ungefähr 2 Millionen Menschen unterschiedlicher Abstammung vor (Abbildung 3). Hier können Sie alle registrierten Studien und hier die jeweils beteiligten Forschenden einsehen. Obwohl einzelne der beitragenden Studien von Privatunternehmen finanziert werden, sind die Ergebnisse unabhängig erzielt.

Figure 3. Overview of the studies contributing to the COVID-19 host genetics initiative and composition by major ancestry groups in meta-analyses.

Abbildung 3. Überblick über die an der Covid-19 HGI beteiligten Studien und Zusammensetzung der Metaanalysen stratifiziert nach ethnischer Herkunft. In den aktuellen Ergebnissen der Version 5 sind 19 Studien mit nicht-europäischen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt: 7 Studien trugen mit afroamerikanischen, 5 mit lateinamerikanischen, 4 mit ostasiatischen, 2 mit südasiatischen und 1 mit arabischen Populationen zur Diversität bei. Die Diamanten zeigen die Stichprobengröße an den verschiedenen Standorten weltweit.

Ist diese Arbeit von Fachleuten begutachtet?

Kurz gesagt, befindet sich unser pre-print zum Zeitpunkt dieses Beitrags im Begutachtungs-Prozess. Aber: Was ist eigentlich ein Peer Review?

Forschende kommunizieren ihre Ergebnisse häufig in einem wissenschaftlichen Manuskript und bitten eine Fachzeitschrift um Feedback. Die Zeitschrift fordert andere Experten auf diesem Gebiet (also Fachkollegen oder „peers“) auf, ihre Meinung zum Manuskript zu äußern und ggf. Änderungen vorzuschlagen. Das wird als Peer-Review bezeichnet. Diese Begutachtung bedeutet natürlich nicht, dass das Manuskript vollständig korrekt ist. Treten neue Informationen zutage, werden auch Ergebnisse und Ideen neu gedacht. Dennoch trägt der Peer-Review dazu bei, wissenschaftliche Forschung so gut zu machen, wie es eben möglich ist. Das Schreiben und Begutachten eines Manuskripts kann manchmal Jahre dauern und die Veröffentlichung wird verzögert. Daher ist es wichtig, eine Studie im Kontext dessen zu betrachten, was unter anderen Wissenschaftlern zu diesem Zeitpunkt bekannt und akzeptiert ist, wenn man sich auf ein einzelnes Manuskript bezieht. Zu guter Letzt sind begutachtete wissenschaftliche Artikel häufig nur gegen Bezahlung zu lesen und so eventuell Wissenschaftlern, Studenten oder Menschen, die sich das nicht leisten können, nicht zugänglich.

Obwohl unser Team aus Experten auf diesem Gebiet besteht und wir alle Anstrengungen unternehmen, gute Wissenschaft zu produzieren, wurde diese Arbeit noch nicht begutachtet. Wir konzentrieren uns derzeit darauf, der wissenschaftlichen Gemeinschaft fortlaufend unsere Ergebnisse auf der Website zur Verfügung zu stellen. Ein Leitprinzip unserer Arbeit ist es, breiten Zugang zum entstehenden Wissen rund um COVID-19 zu ermöglichen. Ein Artikel, der den Ansatz, jedoch keine Ergebnisse der COVID-19 HGI beschreibt, wurde bereits von Experten begutachtet und im Mai veröffentlicht. Eine vorläufige Pre-Print-Version der Ergebnisse unserer genetischen Analysen wurde hier hinterlegt. Diese Arbeit wurde jedoch noch nicht von Experten begutachtet.

Danksagung

Vielen Dank an Caitlin Cooney, CGC, Karen Zusi, Andrea Ganna und Alina Chan für das durchdachte Feedback.